Hochsensibilität: Das passiert im Gehirn - Dr. Anna N. Kluger (annakluger.com)
Studienergebnisse
Wie entsteht Hochsensibilität?
Reize aus der Umwelt werden über das Nervensystem als elektrische Impulse an das Gehirn gesendet – und erst dort in bewusste Wahrnehmung übersetzt. Hochsensibilität entsteht also, indem das Gehirn von hochsensiblen Menschen Reize aus dem Nervensystem anders verarbeitet als nicht-hochsensible Menschen. Hirnforschung und Psychologie bezeichnen das als „sensory processing sensitivity“. Was genau aber im Gehirn von Menschen mit Hochsensibilität geschieht, ist kaum erforscht.
Was man weiß:
Im Gehirn gibt es zahlreiche Areale, die an der Reizverarbeitung beteiligt sind.
Dazu gehören der Neokortex in der Großhirnrinde sowie Thalamus und Hypothalamus im Zwischenhirn.
Die Forschung geht davon aus, dass diese Hirnareale bei hochsensiblen Menschen anders arbeiten und/oder miteinander kommunizieren.
"Wissenschaftliche Erklärungsansätze
Zwar existiert zurzeit eine reiche empirische Kenntnis des Phänomens an sich, jedoch keine anerkannte neurophysiologische Theorie, welche die Ursache der Hochsensibilität beschreibt. Als wahrscheinlich wird eine erblich bedingte spezielle neuronale Konstitution genannt. [...] Zum Phänomen der HS gibt es zur gegenwärtigen Zeit mehrere Erklärungsansätze:
Die Gehirnteile und Neuronenverbünde, welche für die Dämpfung der Erregungspotentiale zuständig sind, seien aus bestimmten (wahrscheinlich genetischen) Gründen weniger stark ausgebildet, so dass die Erregung des zerebralen Kortex deutlich höher ist als bei anderen Individuen.
Der Thalamus funktioniere bei hochsensitiven Personen (HSP) anders als bei nicht-hochsensitiven Personen, so dass mehr Reize als „wichtig“ eingestuft werden und damit das Bewusstsein erreichen.
Es gibt außerdem organische Hinweise, die als erhöhte thalamische Aktivität gedeutet werden können:
Die von Aron beschriebenen Phänomene wie erhöhter Cortisolspiegel, stärkere Empfindlichkeit gegenüber Schlafmangel, Koffein, Hunger- und Durstgefühlen hängen hirnorganisch mit dem Hypothalamus zusammen.
Der Effekt ist, dass die Sinnesorgane zwar nicht mehr Informationen als durchschnittlich aufnehmen, dafür aber weniger Sinneseindrücke aus der Wahrnehmung herausgefiltert werden.
Gemäß Aron sei in jeder Population von Lebewesen ein bestimmter Prozentsatz hochsensibel, was durch die daraus resultierende höhere Überlebenswahrscheinlichkeit der gesamten Art erklärt werden könne, da einzelne Phänotypen aufgrund höherer Sensibilität risikoscheuer seien und bspw. daher bei neuen, unbekannten Gefahren ein Verlust der kompletten Gattung vermieden werden könne.[...]
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In einer Studie aus dem Jahr 2014 wurde mittels funktioneller Magnetresonanztomographie die Gehirnaktivität hochsensibler Menschen auf positive und negative Bilder ihrer Partner und von Fremden gemessen.
Über alle Bedingungen hinweg zeigten die Ergebnisse eine Aktivierung von Hirnregionen, die
-an Aufmerksamkeit und Handlungsplanung,
-an der Integration von sensorischen Informationen,
-an emotionaler Sinngebung und
-Empathie
beteiligt sind.
HSP haben mehr aktive Spiegelneuronen.
Das Spiegelneuronensystem ist eine Gruppe spezialisierter Neuronen, die die Handlungen und das Verhalten anderer »spiegeln«.
Die Idee dahinter ist, dass wir dank der Spiegelneuronen in der Lage sind, zunächst eine Handlung zu beobachten (»Was wird getan?«), dann die Absicht dieser Handlung zu verstehen (»Warum geschieht das?«) und schließlich die gleiche Handlung zu reproduzieren, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen (die motorische Komponente).
HSP verarbeiten Information tiefgreifender
Forscher fanden in einer Studie heraus, dass die hochsensiblen Teilnehmer nach einer Aufgabe, die emotional aufrüttelnd war, eine Aktivität im Gehirn zeigten, die auf eine tiefgehende Verarbeitung hindeutete.
[...]
Gleichzeitig wurden schwächere Verbindungen zwischen der Insula und dem Hippocampus gefunden, einem Schaltkreis, von dem angenommen wird, dass er für die Emotionsverarbeitung und die Stressregulierung wichtig ist.
HSP reagieren anders auf Dopamin,
Dopamin ist der Neurotransmitter, der mit Belohnung und Motivation in Verbindung steht.
Forscher haben einen Bezug zwischen Hochsensibilität und 10 verschiedenen Genvarianten im Zusammenhang mit Dopamin gefunden.
Das Dopaminsystem von HSP reagiert nicht auf die gleiche Weise auf externe Belohnungen wie das von Nicht-HSP. Typische äußere Belohnungen wie eine Beförderung, die Zugehörigkeit zu einem größeren sozialen Netzwerk oder die Freude an Wettbewerben, lösen in hochsensible Personen kein besonderes Hochgefühl aus.
[...]
Dafür fühlen sich hochsensible Menschen durch positive soziale oder emotionale Stimuli, wie ein echtes Lächeln der Freude, mehr belohnt.
HSP reagieren anders auf Serotonin
HSP haben eine Variante des Gens, das den Serotonin-Transporter kodiert, bekannt als 5-HTTLPR.
Die 5-HTTLPR-Genvariante verringert den Serotoninspiegel im Gehirn und erhöht die Empfindlichkeit gegenüber der Umgebung.
Es gibt sogar Hinweise, dass Träger als Reaktion auf belastende Lebensereignisse eher zu Depressionen neigen.
Doch »eine genetisch bedingte mangelhafte Funktion des Serotonintransporters wäre nicht durch die gesamte Evolution hindurch aufrechterhalten worden, wenn sie nur negative Auswirkungen hätte«, und die zunehmende Forschung deutet darauf hin, dass die Variante auch Vorteile hat.
So wurde sie beispielsweise mit einer besseren Leistung bei Wahrnehmungsaufgaben in Verbindung gebracht: Mehr Risikoaversion, wenn die Gewinnwahrscheinlichkeit gering war, aber größere Risikobereitschaft, wenn die Gewinnwahrscheinlichkeit hoch war; längeres Nachdenken, bevor schwierige Entscheidungen getroffen werden, und bessere Leistung bei einer Aufgabe zur verzögerten Mustererkennung. Es hat eine verbesserte Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen.
HSP reagieren anders auf Noradrenalin
Noradrenalin sind damit verbunden, wie lebhaft Menschen Emotionen erleben, wie sie sich fühlen, wenn sie von den Ereignissen um sie herum beeinflusst werden.
HSP‘ scheinen eine genetische Variante zu haben, die Emotionen besonders lebhaft macht.
Hochsensibilität: Das passiert im Gehirn - Dr. Anna N. Kluger (annakluger.com)